Universität Bayreuth
Seminar: Klassische Probleme der Antike
Rudolf Stopfer
08.06.1997
Die Verdoppelung des Würfels
Die Verdoppelung des Würfels ist das am wenigsten beachtete der drei berühmten geometrischen der griechischen Mathematik.
Mit Zirkel und Lineal, als einzige Hilfsmittel, lassen sich die Kanten
der Länge nicht konstruieren.
Hippokrates von Chios (ca. 440 v. Chr.) machte zur Lösung des Problems folgenden Schritt:
Setze:
bzw.
(*)
Die Aufgabe ist es also, zwischen 1 und 2, allgemeiner zwischen a=1 und b zwei mittlere Proportionale einzuschalten. In dieser Form ist das Problem in einer großen Anzahl behandelt worden.
1. Lösung nach Menaichmos (ca. 360 v. Chr.)
Aus dem ersten und dem letzten Glied von (*) folgt xy=ab. D. h. es sind zu dem gegebenen Rechteck ab flächengleiche Rechtecke zu konstruieren. Man kann sie für beliebige Werte von x durchführen und erhält eine Kurve, die von Apollonios Hyperbel genannt wurde.
Aus den ersten beiden Gliedern der Proportion (*) erhält man .
Geht man von x als unabhängiger Variabler aus, so hat man jeweils
zu dem Quadrat über x das Rechteck mit der Seite a zu zeichnen, das
dieselbe Fläche hat. Statt nun auch y als unabhängige Variable
anzusehen, gehen wir von den beiden letzten Gliedern der Proportion aus:
Sie besagt: y ist die mittlere Proportionale zwischen b und x. Sie kann z. B. als Höhe des rechtwinkligen Dreiecks mit Hypothenusenabschnitt b und x konstruiert werden. (vgl. Abb. 2)
Als Schnittpunkt der Hyperbel und der Parabel errechnet sich der Punkt:
S (
Für a=1 und b=2 folgt:
S
Es ist möglich, daß Menaichmos nur die Parabel und die Hyperbel kannte, zwar nicht als Kegelschnitte, aber als geometrische Orte.
Es ist nicht erwiesen, daß die gezeigten Konstruktionen von Menaichmos stammen.
2. Lösung nach Eratosthenes (ca. 260 v. Chr.)
Für zwei ungleichen, gegebenen Strecken und
sollen zwei mittlere Proportionale
gefunden werden. Nach dem Verfahren nach Eratosthenes werden drei identische
Rechteckplatten konstruiert, deren einheitliche Höhe beliebig gewählt
werden kann. Die Grundseite dieser Rechteckplatten sei die vorgegebene
Strecke
. An
wird
die vorgegebene Strecke
angetragen
und anschließend sollen die Diagonalen der Rechtecke eingezeichnet
werden.
Die Punkte G und E werden durch eine Gerade verbunden. Danach schiebt
man die oberen beiden Rechtecke nach unten, so daß die sich die Diagonalen
dieser Rechtecke mit der sich dadurch verändernden Geraden auf
der oberen Seite des darunter liegenden Rechtecken in den Punkten H und
I schneiden.
und
sind
die gesuchten mittleren Proportionalen.
In Abb. 4 sind und
parallel,
und
parallel:
Þ
; So verhalten sich auch
und
.
Analog: ; Daraus folgt:
,
,
und
bilden (stetige) Proportionen.
und
bilden
die mittleren Proportionalen zu
und
.
3. Lösung nach Apollonius (ca. 210 v. Chr.)
Apollonius fand eine andere Lösung: Nimm ein Rechteck OBDA mit
den Längen der Seiten a und b. Ziehe einen Kreis um den Schnittpunkt
E der Diagonalen mit dem Radius, so daß die Schnittpunkte G und F
des Kreises mit den verlängerten Seiten von und
mit dem Eckpunkt des Rechtecks
D auf einer Geraden liegen.
Bei der Konstruktion muß das Lineal im Punkt D festgehalten und
so lange probiert werden, bis die Abstände und
gleich sind.
besitzt
dann die Länge
. In Abb.
4 wird deutlich, daß die Dreiecke BDF und AGD zueinander ähnlich
sind. Es gilt:
Nach
dem Satz des Pythagoras, angewandt auf die Dreiecke
KEG und JEF, folgt:
Multipliziert mit und unter
Verwendung von xy=ab folgt:
Da folgt:
bzw.
x=
4. Die Verdoppelung des Würfels nach Nikomedes (ca. 240 v. Chr.)
und
seien
zwei gegebene Strecken, zwischen denen zwei mittlere Proportionale konstruiert
werden sollen. Man vollende das Parallelogramm ABCD und halbiere die Seiten
und
in
den Punkten E und F. Man verlängere
bis
zum Schnittpunkt G mit
(
!).
Man ziehe
und bestimme Z so,
daß
wird. Man ziehe
parallel
zu
. Man ziehe von Z aus eine
Strecke zu der Verlängerung von
,
so daß
. (Diese Neusis-Konstruktion
kann durchgeführt werden, indem man die Gerade
mit
einer Kochloide mit "Pol" Z, "Lineal"
und
"Abstand"
schneidet.)
Schließlich verlängere man und
bis zum Schnittpunkt M. Dann
sind
und
die
gesuchten mittleren Proportionalen zwischen
und
.
Genau genommen ist die Strecke überflüssig.
Aus den Proportionen:
und
folgt:
.
Daraus folgt: und
sind
die gesuchten mittleren Proportionalen zwischen
und
:
Beweis: Die Dreiecke ADM, BKM und CKD sind ähnlich:
Nach dem Satz von Pythagoras gilt für das Dreieck ZKF:
Zwei Strecken und
seien
gegeben. Man beschreibe um die größere Strecke
einen Kreis ABCZ und darin eine Sehne
,
die verlängert die in C gezogene Tangente des Kreises in X trifft.
Man ziehe
parallel zu
und
errichte über dem Halbkreis ABC einen Halbzylinder und über
einen
senkrechten Halbreis, der in dem Rechteck des Halbzylinders liegt. Wenn
dieser Halbkreis nun (senkrecht stehend) von C weg nach B hin gedreht wird,
während das andere Ende A des Durchmessers fest bleibt, so wird er
die Zylinderoberfläche dauernd schneiden und darauf eine Kurve zeichnen.
Anderseits wird, wenn
fest bleibt
und das Dreieck AXC gedreht wird, die Gerade
mit
einer zu der des Halbkreises entgegengesetzten Bewegung eine Kegelfläche
beschreiben. Diese wird zufolge der Drehung die aus dem Zylinder gezeichnete
Kurve in irgendeinem Punkt treffen. Zugleich wird auch der Punkt B einen
Halbkreis auf der Kegelfläche beschreiben. Der bewegende Halbkreis
möge im Augenblick des Zusammentreffens der Linien die Stellung C’KA
haben und das entgegengesetzt drehende Dreieck die Lage CYA; der Punkt
des Zusammentreffens sei K. Der von B beschriebene Halbkreis sei BMZ, und
dessen Schnittlinie mit dem Kreis BCZA sei BZ. Aus K möge ein Lot
auf die Ebene des Halbkreises CBA gefällt werden. Der Fußpunkt
des Lotes wird auf dem Kreis liegen, weil der Zylinder gerade ist. Das
Lot sei
, und die Gerade
schneide
in D , und
schneide
den Halbkreis BMZ in M. Auch
,
und
mögen
gezogen werden. Da nun jede der beiden Halbkreise C’KA und BMZ auf der
darunter liegende Ebene des Kreises senkrecht steht, so wird auch ihre
Schnittlinie
auf der Ebene des
Kreises senkrecht stehen. Somit steht
auch senkrecht auf
. Also ist
das Rechteck aus
und
,
das ist das aus
und
,
gleich dem Quadrat über
.
Daher ist das Dreieck AMI ähnlich zu MID und MAD, und der Winkel IMA
ist ein rechter. Auch der Winkel C’KA ist ein rechter. Also sind
und
parallel und wegen der Ähnlichkeit
der Dreiecke gilt die Proportion:
mit
und
In Abb. 9 soll noch einmal die Figur hervorgehoben werden, die Archytas
vorschwebte und die er konstruieren wollte. Es handelt sich dabei um das
rechtwinklige Dreieck AC’K mit den beiden Loten und
.
Literatur:
Birhhäuser Verlag, Basel und Stuttgart 1966
Birkhäuser Verlag, Boston, Basel, Berlin 1989
The Mathematical Association of America, 1992
Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1984